Pressespiegel


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Louis Spohr - dynamisch wie eh und jeDieter Albrecht / 08.04.14 / TA

Zu seinem 230. Geburtstag hatte der Gothaer Hofmusiker prominente Gäste in den Gemeindesaal des Augustinerklosters Gotha eingeladen.
Erstaunlich gut hat er sich gehalten: 230 Jahre und noch so dynamisch! Zum Geburtstag hatte der einst in ganz Europa berühmte Gothaer Hofmusiker Louis Spohr Freunde eingeladen: Gut hundert kamen.
Ein ungelöstes Problem - hier spielte es keine Rolle: die Zeitreise. So fanden Menschen zusammen, die einst zu ganz unterschiedlichen Zeiten über diese schöne Erde wandelten. Die Begrüßung hatte Herzog Ernst der Fromme übernommen, der entfernt an Gothas heutigen Landrat Gießmann erinnerte.
Überhaupt lagen beim Auftritt der meisten Promis Assoziationen mit heutigen Personen in der Luft. Als der Herr Geheime Rat aus Weimar seinen "Zauberlehrling" deklamierte ("Hat der Oberbürgermeister sich doch einmal wegbegeben ...") dachte man unwillkürlich an den Musiker, Schauspieler und Bürgermeister Schmitz-Gielsdorf. Und hatte man Herrn Christoph Martin Wieland, der mit seiner Muse Gotha visitierte ("Goethe hat man schon zu Lebzeiten überschätzt"), nicht auch schon beim "theater der stadt" herumstreichen sehen?
Wer hätte gedacht, dass Zar Alexander III. Paganinis verrückt-virtuosen "Carneval in Venig" auf der Basstuba spielt? Und wer hat je davon gehört, dass der weltberühmte chinesische Pianist Lang Lang einen Bruder namens Kurz Kurz hat, der dem Solopauker der Thüringen-Philharmonie verdammt ähnlich sieht und einen ausgezeichneten Musikclown abgibt?
Überhaupt die Musik: Spohr spielte, begleitet von Clara Schumann, einen Satz aus einem seiner Violinkonzerte. Später waren er und Ludwig Böhner, der "Thüringer Beethoven", mit einer Sonate für zwei Violinen zu hören. Auch hier dieses seltsame Erinnern: Sah Böhner nicht dem ehemaligen Konzertmeister des Gothaer Orchesters, Viktor Barschewitsch, zum Verwechseln ähnlich?
Also wirklich, an diesem Abend war alles ungewöhnlich: André Rieu ist von der Geige auf die Bratsche umgestiegen. Jacques Offenbach spielt seinen berühmten Can-Can mit Partner auf dem Violoncello. Und Niccolò Paganini erscheint als ungeladener Gast mit seiner Elektrogeige und trifft auf drei Jazzer, die wie Ngo, Goldhardt und Benschu aussehen und die 24. Caprice des Geigenvirtuosen in vielen Variationen so konsequent umkrempeln, dass mal eine Zigeunerweise, mal Klezmermusik, mal ein rockiges Schlagzeugsolo, mal ein zünftiger Tango herauskommen"...
Nett auch, dass Spohrs Dresdner Zimmerwirtin, die den Musiker und seine Familie offenbar ins Herz geschlossen hatte, in herrlichem Sächsisch aus der Privatsphäre plauderte. Dass Adam Weishaupt, der Illuminatengründer, Sympathien für die SPD hegte, war vielen neu. Und noch erstaunlicher, dass er vor der NSA warnte.
Die Fäden hielt Patrick Rohbeck zusammen, der sich wieder einmal als versierter Moderator bewährte und auch nicht vergaß, die Köchin für das wirklich hervorragende Drei-Gänge-Menü zu loben. Dass zu Spohrs Geburtstagsfeier Wein vom Wormser Weingut Spohr ausgeschenkt wurde, versteht sich beinahe von selbst.
Die Europäische Louis-Spohr-Kulturgesellschaft hat noch viel vor dieses Jahr. Und das kostet Geld. Da bot es sich an, Teile der riesigen Geburtstagstorte, verbunden mit weiteren Leistungen, zu versteigern. Ein Wein-Kaffee-Päckchen, Eintrittskarten zu tollen Musikveranstaltungen, ein Dirigat der Thüringen-Philharmonie und - als Höhepunkt - ein Privatkonzert Spohrs zu Hause brachten immerhin 810 Euro ein. Angeschnitten hat die Torte Spohrs Gattin Dorette. Wer sonst?